Dell Streak 5 Zoll Android Tablet

(08.09.2010 00:00 CET)

Dell war in den Hoch-Zeiten der Windows Mobile-Geräte ein fester Bestandteil des Marktes. Wenn auch nur mit einer Modellreihe, den Dell Axims, nichts desto Trotz aber durchaus mit Marktanteil und begeisterten Kunden. Irgendwann entschied man dann, dass die mobilen Geräte nicht so recht ins Portfolio passen würden, und aus diesem Grunde stellte man die Produktion kurzerhand ein. Erst nach der Ablösung des „gemeinen PDAs“ durch Smartphones schien das Interesse bei Dell wieder zu wachsen, und die Gerüchte eines Dell-Smartphones waren vermehrt zu hören.

Immer noch ist es nicht offiziell klar, ob man auch im Windows Phone 7-Umfeld Engagement plant, Fakt ist aber, dass mit dem Dell Streak bereits ein Android-Gerät verfügbar ist.

Es scheint der Fluch der großen Hersteller zu sein, sich so lange mit dem Ob und Wie eines Modellstarts zu beschäftigen, bis das Gerät eigentlich schon veraltet ist. Dies hat Sony Ericsson eindrucksvoll vorgeführt, und auch Dell scheint dem zum Opfer gefallen zu sein: Gerade wird Android 2.2 (Froyo) auf die diversen bestehenden Geräte ausgerollt und gehört zum Standard bei neuen Geräten, Dell liefert den Streak mit der alten Version 1.6 aus. Auch wenn mittlerweile in Großbritannien ein Update auf 2.1 ausgerollt wird und Gerüchte davon sprechen, dass dies auch in Deutschland der Fall sein solle und in manchen Märkten gar direkt auf 2.2 upgedated werden soll, der Teststand ist und bleibt Android 1.6.

Diese Voraussetzung geklärt und hingenommen, zeigt sich der Dell Streak als Wandler zwischen den Welten. Mit seinem 5 Zoll-Display ist er deutlich größer als der Rest der Android-Geräte und platziert sich genau zwischen Smartphone und Tablet. Nische oder Loch, die Frage muss man sich ganz klar stellen. Wer ein reines Smartphone mit Android sucht, mit dem er auch bequem im Internet surfen kann, der sollte sich vielleicht das HTC Desire bzw. das Google Nexus One anschauen, die sind Hemd- bzw. Hosentaschen-kompatibler. Wer ein Tablet wie das iPad (oder das gerade auf der IFA angekündigte Samsung Galaxy-Tablet) sucht, der wird nicht notwendigerweise ein 5 Zoll-Display präferieren. Nun wird es eng... gibt es eine Zielgruppe für den Streak?

Aus meiner Sicht: Durchaus, auch wenn diese kleiner sein mag, als Dell sich das in der Absatzplanung vorgestellt hat. Ich selbst telefoniere weit weniger als ich ein Gerät als Surftablett oder Email-Maschine nutze. Die 5 Zoll sind da ein deutlicher Platzgewinn, ohne, dass das Gerät die Grenze der Taschenverträglichkeit vollends überschreitet. Und eines ist klar: Momentan gibt es kein anderes Gerät, dass diese Displaygröße und trotzdem diese handhabbaren Maße hat.

Wie schlägt sich der Streak nun in der Praxis?

Nach einer Woche Benutzung bin ich hin- und hergerissen. Der Streak ist ein Riese, dessen Handhabung geübt sein will. Kein anderes Gerät, das ich bisher getestet habe, hat einen Nummernblock auf der virtuellen Tastatur, und abhängig von der Größe der Hand und der daraus resultierenden Spannbreite der Daumen ist das Tippen schon nicht ganz so schnell wie beispielsweise auf einem Desire, Nexus One oder anderen „größeren“ Geräten. Eine Frage der Gewöhnung, natürlich, aber Anwender mit kleineren Händen werden hier durchaus eine Herausforderung zu meistern haben.

Auf der anderen Seite ist das Display des Streak scharf und klar und bietet eine Detailtiefe, die sich durchaus sehen lassen kann. Stellt man den Browser so ein, dass die aufgerufenen Seiten so weit entfernt wie möglich dargestellt werden (also quasi in Vollansicht), dann kann man immer noch die wichtigsten Elemente lesen. Das macht Spaß. Auch die automatische Beleuchtungseinstellung funktioniert prima: innerhalb kürzester Zeit wird die für die aktuelle Umgebungshelligkeit optimale Einstellung gefunden, und selbst in der Sonne kann man das Display noch verwenden.

Unter anderem auch Android 1.6 geschuldet ist die Bedienung nicht durchgehend auf das kapazitive Display ausgelegt. Das Vergrößern per Pinch&Zoom (dem per Daumen und Zeigefinger ausgeführten „Aufziehen“ von Seiten) funktioniert gut, das Doppeltippen (und bei anderen Geräten dann automatisch ausgeführte Vergrößern auf den angetippten Bereich) leider nicht. Hinzu kommt, dass der Browser nicht automatisch beim Vergrößern Text umbricht, so dass der Anwender sich oft genötigt sieht, die Seite nach links und rechts zu ziehen, um den Inhalt lesen zu können. Hier bleibt die Hoffnung, dass dies durch ein Update behoben werden kann.

Überhaupt Android 1.6: Exchange-Benutzer sollten sich darauf einstellen, gleich zwei Tools parallel einzusetzen. Der Dell Streak unterstützt als einziges Mails per WebDAV über einen Exchange, aber weder die Synchronisation von Terminen oder Kontakten. Dazu legt Dell eine Testversion (!!!) von Touchdown bei, mit dem ein vermeintlich vollwertiger Exchange-Zugriff möglich ist. „Vermeintlich“ deshalb, weil Touchdown komplett eigenen Datenbanken verwendet, die dann mit dem Exchange synchronisiert werden. Eigentlich unproblematisch, faktisch aber zumindest im Zusammenhang mit den Kontakten durchaus ein echtes Problem: Will man telefonieren (und auf die Kontakte aus der Wählapplikation zugreifen) oder geht ein Anruf ein, bei dem anhand der übertragenen Nummer der zugehörige Kontakt angezeigt werden soll, dann funktioniert dies einfach nicht... denn die Gerätekontakte sind ja leer. Touchdown bietet die Möglichkeit, die Kontakte jeweils manuell (einzeln oder gesamt) zu übertragen, dann aber stellt sich ein anderes Problem: Änderungen an einem Kontakt müssen dann zwingend in den Touchdown-Kontakten gemacht werden, sonst gelangen sie nicht auf den Exchange. Die Verwirrung, welchen Kontakt man gerade am virtuellen Schlafittchen hat, ist vorprogrammiert.

Die Kombination, die funktioniert: Parallel dazu RoadSync, den zweiten Exchange-Client im Android Market, installieren, bei Touchdown die Kontakte ausnehmen und nur diese über Roadsync synchronisieren lassen.

Warum nicht nur Roadsync? Weil dessen Widgets für die Startseite weitaus weniger informativ sind.

Bitter auf jeden Fall, dass man als Käufer eines knapp 600 Euro teuren Gerätes dann auch noch eine Testversion lizensieren – und nach 30 Tagen zahlen – muss!

Zwei weitere Punkte schliessen sich nahtlos an und nähren den Eindruck, dass der Streak ein halbes Jahr vorher auf den Markt hätte kommen müssen: Zum einen meldet sich Touchdown nach der ersten Anmeldung an den Android Market mit dem Hinweis, es gäbe eine neuere Version. Wer diese leichtgläubig installiert, der erlebt ein bitteres Erwachen: Vorinstalliert ist die 2.0-Version, „aktualisiert“ wird auf die Version 1.6... und die kann unter anderem die Widgets, die den Vorteil zu Roadsync ausmachen, gar nicht mehr nutzen. Empfehlung: Die Aktualisierung einfach ignorieren!

Zum anderen, und das finde ich persönlich noch bitterer, hat Dell zwar ein Facebook- und ein Twitter-Applet installiert, beide aber scheitern in der Praxis elend.

Das Twitter-Applet lässt sich nicht mehr nutzen, da es die seit dem 31.8.2010 geänderte Authentifizierung bei Twitter nicht berücksichtigt. Mit den selben Daten erhält man nur ein „Kombination Username/Passwort falsch“, so andere, über den Android Market heruntergeladene Clients wie Twidroid oder Seesmic prima funktionieren. Der Dell-Support ist „überrascht“... und hat keine Lösung (außer eben einen Fremdanbieter-Client zu installieren). Auch das den halben Bildschirm einnehmende Facebook-Applet, das grafisch poliert die Stausmeldungen der Freunde anzeigt, scheitert in der Praxis: Hier ist zwar die Anmeldung problemlos möglich, Konfigurationsmöglichkeiten (wie beispielsweise Frequenz der Aktualisierung) sucht man aber vergebens. Noch schlimmer: Tippt man eine Meldung an, dann landet man im Browser auf der Übergabeseite von Facebook und muss sich anmelden. Weder das Speichern des Cookies funktioniert zuverlässig, noch werden die (sowieso gespeicherten) Zugangsdaten aus dem Applet übergeben.

Spätestens an dem Punkt, an dem mit Riesenaufwand die grundsätzlichen Konfigurationsschritte durchgeführt waren, hatte ich schon den sprichwörtlichen Kaffee auf. Nur geht es in einem Test natürlich nicht um Einzelschicksale, sondern um die Eignung für das Gros der Anwender, und darum sind einige Relativierungen nötig: Wer keinen Exchange nutzt, der kann über die Google-Services oder über die auf der 16GB Speicherkarte abgelegte PC-Software problemlos seine Daten synchronisieren.

Auch für Twitter und Facebook gibt es (kostenlose) Anwendungen im Android Market, nutzen kann man die Services also auch ohne die Dell-eigenen Programme, allerdings geht damit ein Teil der „Aufhübschungen“ am doch eher kargen Android verloren, und das ist schade.

In der Praxisanwendung macht der Streak trotz allem Spaß. Trotz Dauer-Datenverbindung zum Exchange und intensiver Nutzung hält der Akku des Streak gute zwei Tage durch, und das trotz des Riesendisplays. Form, Design und Haptik machen ihn zum Hingucker, der Datendurchsatz bei guter UMTS-Versorgung ist ordentlich, und der integrierte Lautsprecher gibt einen ordentlichen Klang von sich, was sowohl bei der Medienwiedergabe als auch bei der Navigation positiv auffällt.

Man kann sogar mit dem Streak wie mit einem normalen Mobiltelefon telefonieren, ohne die Freisprecheinrichtung zu benutzen. Das sieht zwar ein wenig schräg aus (Kommentar eines ungeneigten Betrachters: „Hast Du ein Frühstücksbrettchen am Ohr?“), funktioniert aber und hilft, wenn man gerade mal keine Freisprecheinrichtung im Zugriff hat.

Einige weitere Negativpunkte kommen aber trotzdem noch in der Praxis zu Tage: Die virtuelle Tastatur des Streak reagiert spürbar langsam. Wer schnelles Tippen gewöhnt ist, der wird so manches Mal unterbrechen müssen, weil mal wieder ein oder mehrere Buchstaben „verschluckt“ wurden.

Dann die Digitalkamera: 5 Megapixel mit doppelter LED, das klingt auf dem Papier hervorragend... leider aber auch nur da, denn das Bild ist krisselig, kontrastarm, überzeichnet. Keine Frage: Man kann von einer Smartphone-Kamera nicht erwarten, dass sie eine Bildqualität wie eine echte Digicam bietet, aber die des Streak ist für mich mit Abstand die schlechteste, die ich in meiner langen Testkarriere gesehen habe, und nicht einmal für einen schnellen Schnappschuss ernsthaft zu gebrauchen.

Letzter Punkt der Mängelliste: Der Stecker des Streak. Seit Monaten gehen alle Hersteller endlich einen gemeinsamen Weg: Erst war es mini-, dann microUSB, das als Norm für das Laden und Synchronisieren eines mobilen Gerätes verwendet wurde. Dass das Apple iPhone eine Ausnahme darstellt, sei dahingestellt... das ist aber lange noch kein Grund, dass Dell ebenfalls einen proprietären Stecker verwendet. Dass dieser vom Aussehen her fast dem des iPhones entspricht, ist nur ein unwichtiges Detail, macht die Situation aber auch nicht besser. Fest steht: Wer den Streak im Auto oder auf Reisen nutzen will und nicht das beiliegende Sync/Ladekabel vom Rechner mitnehmen will, der muss sich mit Originalzubehör neu eindecken. Warum?

Preis:

EUR 599,- bei Dell direkt, im Einzelhandel auch bei Media Markt

Fazit:

Lese ich diesen Test noch mal durch, dann liest er sich sehr negativ. Nicht ohne Grund, denn die Zahl der kleinen Tücken und Mängel ist deutlich länger als bei den meisten anderen Geräten. Freundet man sich damit an bzw. akzeptiert die Mängel, dann macht der Streak durchaus Spaß. Die Displaygröße und -qualität, das Design, die durch Applikationen über den Android Market erweiterbare Funktionalität, der Streak ist meine erste Wahl, wenn ich unterwegs viel ins Internet muss und Mails lesen und beantworten muss. Allerdings sollte Dell sich tunlichst mit einem Update auf Android 2.1 oder am besten gleich 2.2 beeilen, denn dies würde viele der Probleme lösen.

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